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Alles Agil, oder? Wovon wir eigentlich reden…

Der mögliche Weg zu einer neuen Organisationsform löst sowohl Sehnsüchte wie auch Ablehnung aus. „Ich kann das Wort Agilität nicht mehr hören!“ - so ein Personalverantwortlicher über interne Veränderungen der Organisation. Andere sehen agile Organisationsformen als einzigen, zukunftstauglichen Weg.

Schwierig wird eine Unterhaltung über das Thema, da die Begriffe ebenso inflationär gehandelt werden wie systemisch oder nachhaltig. Wovon reden wir also überhaupt?

Zunächst einmal ist es hilfreich zu verstehen, dass es verschiedene Bewegungen gibt, die in eine ähnliche Richtung weisen – wenn auch mit unterschiedlichen Auslösern und Namen. Dazu eine kleine Zusammenfassung basierend auf einer Übersicht von Oesterreich & Schröder (2017).

Der Begriff Agil/Agile kommt aus der Softwareentwicklung. Hier wurden Prozesse und Strukturen entwickelt, in denen selbstorganisierte Teams innerhalb eines Unternehmens flexibel und lernorientiert in iterativen Teilschritten Produkte für Kunden entwickeln. Durch klar definierte Rollen und Kommunikationsprozesse können interdisziplinäre Teams sehr effizient zusammenarbeiten und sich fortlaufend verbessern. Scrum ist eine der agilen Methoden, die hierfür entwickelt wurden und inzwischen auch in nicht IT-Unternehmen umgesetzt werden. Design Thinking sowie Kanban sind weitere Beispiele.

Das Agile Manifest (2001) fasst die Prinzipien agiler Arbeit zusammen. Auch wenn Agilität oftmals als Methodenkoffer verstanden wird, betont Scheller (2017), dass Agilität eine Haltung ist. Die agile Haltung ist verwandt mit einer systemischen Haltung. Und sie steht in enger Verbindung zu anderen Bezeichnungen neuer Arbeitsformen.

Reinventing Organizations ist der Titel des inspirierenden Buchs von Frederik Laloux, in dem er in einer mehrjährigen Studie Organisationen beschrieben hat, die nach einem neuen Paradigma agieren. Diese haben sich in drei Bereichen weiter entwickelt als traditionelle Unternehmen:

  • Selbstführung (statt einer Pyramidenhierarchie selbstgeführte und -organisierte Teams),

  • Ganzheit (Mitarbeiter*innen können sich in ihrem Mensch-sein einbringen und entfalten),

  • Evolutionärer Sinn (Produkte und Entscheidungen dienen dem Sinn der Organisation).

In Anlehnung an die Entwicklungsstufen der Existenztheorie von Graves (1970) sowie von Spiral Dynamics (Beck & Cowan, 1996) werden sie als Teal- (Petrol/Türkis) oder integrale Organisationen bezeichnet (siehe auch Ken Wilber’s Integrale Theorie). Sie bilden die Vorreiterinnen einer neuen Entwicklungsstufe, in die wir uns als globale Gesellschaft über die Zeit hineinentwickeln und die andere Formen der Zusammenarbeit mit sich bringt.

In Bezug auf die Selbstorganisation der Mitarbeiter*innen (anstatt der Pyramidenhierarchie) stehen sie in engem Zusammenhang mit agilen Organisationsformen. Dazu gehören auch Organisationsmodelle, wie die Soziokratie 3.0 und Holokratie. Die kollegiale Führung von Oesterreich und Schröder bildet eine sehr gute und pragmatische Synthese bzw. Weiterentwicklung verschiedener Modelle. Wichtig bleibt dabei, dass jede Organisation im besten Fall ihre eigene Form bestimmt und es kein „one-size-fits-all“-Modell gibt.

Die verschiedenen Formen, die ich hier unter agilen Organisationsformen zusammenfassen möchte, hatten sowohl unterschiedliche wie auch überschneidende Entstehungsgründe. Da ist zum einen die immer komplexere Welt, in der wir agieren, mit dynamischen Märkten und Kundenbedürfnissen. Dies bedarf flexiblerer, agiler Organisationen mit einer hohen inneren Komplexität und Dynamik. Zum anderen verändert sich die Gesellschaft. Steile Hierarchien und hohe Bürokratie verlangsamen nicht nur das Unternehmen, sie entsprechen auch nicht mehr dem Menschenbild der neuen Generationen, die lieber auf Augenhöhe und mit Sinnbezug zusammenarbeiten wollen. Auch das mechanistische Bild von Organisationen (z.B. die Metapher des Uhrwerks), weicht zunehmend einem organischen Bild eines lebendigen Organismus (z.B. der Baum). Wir können unsere Unternehmen nicht mehr als rein zweckrationale Gebilde führen. Das hat noch nie wirklich funktioniert und klappt immer schlechter, je selbstbestimmter die Mitarbeiter*innen ihre Bedürfnisse einbringen. Unsere Auswirkungen auf den Planeten Erde aus ökologischer und sozialer Sicht sind weitere Faktoren, die wir im Blick behalten müssen, wenn wir ein zukunftsfähiges Unternehmen führen wollen.

Was ist aber nun das Fazit zum Thema Agil? Stellen Sie sich doch mal die Frage, wofür Sie sich mit dem Thema befassen und diesen Blogartikel lesen. Möchten Sie Ihr Unternehmen weiterentwickeln, eines gründen oder in einem arbeiten, welches agile Prinzipien lebt? Was sind Ihre Beweggründe? Welche Werte und Haltungen möchten Sie in Ihrer Organisation leben? Geht es Ihnen um Effizienz, um Flexibilität, eine kollegiale Zusammenarbeit auf Augenhöhe oder um die Werte, die das Unternehmen in die Welt bringt? Wollen Sie ein attraktiver Arbeitgeber sein? Oder ist Laloux einfach ein cooler Typ? Interessant wird die Diskussion erst, wenn das Wofür klar wird. Und die eigene Haltung.

Unser Fazit ist es, diese Fragen zunächst zu stellen, wenn eine Unternehmensführung sich für eine agile Organisationsbegleitung interessiert. Wir finden das Thema fantastisch und begleiten Sie gerne auf Ihrem Weg. Wir glauben aber auch, dass eine gemeinsame Reflexion zu Beginn erst einmal klären muss, ob und wie dies ein Weg für Sie werden kann. Und in welcher Form Sie Schritt für Schritt die Reise antreten können.